Taucharchäologie

Siedlungen

Pfahlfeld in der Sipplinger Bucht. Foto: Teraqua/A. Müller

Zu den ältesten Quellen des archäologischen Tauchens gehören in Deutschland die mesolithischen Fundstellen in der Ostsee. Die ursprünglich in einer glazial geformten, gewässerreichen und waldbestandenen Landschaft entstandenen Hinterlassenschaften wildbeuterischer Gruppen gerieten im Zuge eines epochalen isostatischen Meeresspiegelanstiegs unter ständige Wasserbedeckung. Die Fundstellen liegen heute in bis 12m tiefem Wasser. Ähnlich alte Nachweise von Wildbeutergruppen, die ebenfalls nur mit Tauchgerät zu erreichen sind finden sich vereinzelt auch in Südwestdeutschland, etwa am Orkopf im westlichen Ausgang des Bodensees.

Auch die meisten der neolithischen und bronzezeitlichen Seeufersiedlungen (vgl. Feuchtbodenarchäologie) sind erst durch nachträgliche Vorgänge - Setzungen, Rutschungen, Erosion des Sedimentbettes, Aufsedimentierung von Abflussschwellen - unter Wasserbedeckung geraten. Die neolithische Station von Kempfenhausen im Starnberger See liegt heute in 4m, die bronzezeitliche Fundstelle von Frauenpfahl in bis über 5m Wassertiefe.

Wasserfahrzeuge

Pfahlfeld in der Sipplinger Bucht. Foto: Teraqua/A. Müller
Auch viele Einbäume sind nur taucherisch zu erreichen. Die Archäologie der Wasserfahrzeuge ist international und auch in Deutschland weit aufgefächert und vielfach nur mit taucherischer Unterstützung durchführbar. Im Fall der Bremer Hansekogge" Anfang der 1960er Jahre mussten in Ermangelung entsprechend ausgebildeter Archäologen noch Bergungstaucher eingesetzt werden. Bei der Untersuchung der Darßer Kogge" konnten dann ausgebildete, archäologisch geschulte Forschungstaucher tätig werden. In Süddeutschland läuft nach ersten schiffsarchäologischen Bergungen und Dokumentationen ab Anfang der 1990er Jahre und mehreren Rettungsgrabungen im Umfeld der Insel Reichenau ein schiffsarchäologisches Projekt zur systematischen archäologischen Erfassung der historischen Bodenseeschifffahrt an.

Brücken und Furten

Engstelle und Zwangspassage des Wasser- und Landverkehrs am Bodensee-Obersee-Ausfluss bei Konstanz. Graphik: UwArc/ M. Mainberger
In vielen Fällen lassen sich in heutigen Flußläufen die Fundamente historischer Brückenbauten wiederfinden. Ein Beispiel bildet die Anlage von Oberpeiching. Der Bau von Brücken reicht aber weit in die Urgeschichte zurück. In die Mittlere Bronzezeit datieren Bohlenwege im Federseemoor in Oberschwaben (vgl Feuchtbodenarchäologie; "Siedlung Forschner"). Furten und einfache Übergänge an verkehrsgeographischen Engstellen sind archäologisch sehr viel schwerer nachzuweisen. In vielen Fällen geben sie sich nur durch eine Ansammlung auf den ersten Blick unzusammenhängender Funde zu erkennen, die beim Queren eines Flusses verloren gingen oder intentionell als "Weihefunde" ins das Wasser gelangt sind.

Fischereianlagen

Fischreis südlich der Insel Reichenau. Foto: UwArc/ M. Mainberger
Die bislang ältesten Fischereianlagen wurden mit einem neolithischen Fischzaun in 11m Wassertiefe im sachsen-anhaltischen Arendsee untersucht. Jüngere, ebenfalls sehr spektakuläre Nachweise prähistorischer Reusenfischerei wurden in der Fundstelle Bruckgraben im Federseeriedfeuchtbodenarchäologisch aufgedeckt. Am Bodensee blieben Fischleitwerke, Fischzäune, Fischreiser bis in heutige Zeit in Gebrauch und bilden eindrucksvolle, noch kaum erforschte Unterwassermonumente.

Jüngste Quellen

Videostill zu einem Gefechtsstand eines Flugzeugs im Bodensee. (Still: LUBW, Institut für Seenforschung Langenargen)
Taucharchäologische Untersuchungen erstecken inzwischen auf Quellen aus jüngster Zeit. Beispiele bilden ein U-Boot der Kaiserlichen Marine oder eine archäologisch-forensische Nachsuche nach einem amerikanischen Bomber des 2. Weltkriegs.

Unterwasserlandschaften

Die technische Weiterentwicklung hydrographischer Methoden hat in den letzten beiden Jahrzehnten dazu geführt, dass taucherische Untersuchungen immer wieder mit dem Einsatz von Sonartechnik kombiniert werden. "Taucharchäologie" beinhaltet heute eine große Anzahl technischer Anwendungen, in denen nicht Menschen, sondern Geräte tauchen. Mit Sedimentsonaren (Sub-bottom Profiler) lassen sich berührungs- und zerstörungsfrei Einblicke in Seeböden erzielen, ferngesteuerte Kameras (Remote Operating Vehicles, ROV) oder "Unterwasserdrohnen", ermöglichen Beobachungen und sogar Beprobungen. (vgl. Grabungstechnik ).

Aus Multibeam-Daten des "Tiefenschärfe"-Projekts der LUBW und LIDAR-Daten des LGL errechnetes Modell der Flachwsserzone um die Welterbestätte Insel Reichenau. Graphik: UwArc/ M. Mainberger
Ganz neue Forschungschancen ergeben sich aus der Fähigkeit vor allem von SideScan- und Multibeam-Sonaren,in sehr kurzer Einsatzzeit sehr große Flächen hochaufgelöst abzubilden. In Kombination und mit Geographischen Informationssystemen prozessiert, ergeben die jeweiligen Datensätze dreidimensional darstellbare, exakte Abbilder von Gewässersohlen. Mit LIDAR-Daten kombiniert, lassen sich ganze Wasser- und Unterwasserlandschaften darstellen. Die "Landschaftsarchäologie" der letzten Jahrzehnte hat damit als "Wasserlandschaftsarchäologie, "waterscape" archaeology in die Unterwasserarchäologie Einzug genommen.