Grabungs- und Dokumentationstechnik

Der Erfolg unterwasserarchäologischer Geländearbeiten ist in hohem Maß von der eingesetzten Technik abhängig. Fundstellen in Feuchtböden sind oft nur mit systematischer Entwässerung zugänglich; unter ständiger Wasserbedeckung sind sie ohne Wasserfahrzeuge und Tauchtechnik gar nicht zu erreichen. Taucharbeiten sind generell mit wesentlich höheren sicherheitstechnischen Erfordernissen verbunden als Aktionen an Land. Unwägbarkeiten wie wechselnde Wasserstände und Sichtverhältnisse erschweren die unkomplizierte Überprüfung und Reproduktion einmal erhobener Beobachtungen, was umfassenden Einsatz spezialisierter und sich gegenseitig ergänzender Dokumentationstechnik (analoge Texte, digitale Messungen, Photos) erfordert. Besonders dieser Bereich unterliegt ständigem technischem Wandel, den sich die Unterwasserarchäologie nutzbar macht. Jede Darstellung unterwasserarchäologischer Dokumentationstechnik stellt deshalb eine – in der Regel schnell durch neue Entwicklungen überholte – Momentaufnahme dar.

Die eigentliche Ausgrabungstechnik hat sich hingegen seit den Anfängen moderner unterwasserarchäologischer Untersuchungen – in Mitteleuropa Anfang der 1960er Jahre – recht wenig verändert. Das Freilegen und Verfolgen der archäologischen Befunde in ihrem natürlichen Sedimentbett, die Anlage von Profilen, die dreidimensionale Einmessung und Dokumentation aller beobachteter Befunde und Funde stellen bis heute strategische Eckpunkte unterwasserarchäologischer Ausgrabungsarbeit dar (Darstellung zum Arbeitsstand der frühen 1990-er Jahre bietet das Grabungstechnikerhandbuch, Kapitel 16.12 Feuchtbodenarchäologie und 16.14 Unterwasserarchäologie). Verändert hat sich vor allem das eingesetzte Werkzeug. Bei Arbeiten unter ständiger Wasserbedeckungen nehmen eine zentrale Rolle heute Dredges ein.

Waterdredge.
(1) Saugstutzen; (2) Absaugwasserschlauch; (3) Eingang Druckwasserschlauch, Regler; (4) Ausgang Absaugwasserschlauch und Aufnahme Fangsack; (5) Fangsack. Die abgebildete Dredge ist aus Nordamerika, wo sie in verschiedenen Größenordnungen angeboten wird, importiert.

Die mit Druckwasser betriebenen Saugapparate haben im tiefen Wasser die früher üblichereren Airlifts, im Flachwasser die Kelle abgelöst. Sie können zum Auskoffern großer Kubaturen eingesetzt werden, entsprechend ausgestattet aber auch zum Freilegen und Ergraben sehr filigraner archäologischer Unterwasserbefunde.

Degersee 2008
Der Ausgräber legt neolithische Schichten frei. Foto: M. Mörtl.

Gravierende Veränderungen spielen sich in der Meßtechnik ab. Im Flachwasser werden Schnurraster, Meßrahmen und händisches Messen seit einigen Jahren durch satellitengestützte Meßantennen und Real-Time-Kinematik (RTK) abgelöst. Auch tachymetrisches Messen tritt gegenüber der neueren Technik in den Hintergrund. Wo „terrestrisches“ Messen (in Stehtiefe, mit Satellitenantenne über dem Wasserspiegel) nicht möglich ist, können mit entsprechender Technik und Expertise Festpunkte im tieferen Wasser gesetzt werden.

Zu einem großen Sprung hat die Einführung neuartiger photogrammetrischer Verfahren in die Unterwasserarchäologie geführt. Structure from Motion (SFM) setzt unter dem Einsatz rechenstarker Computer und spezifischer Software photographisch erzeugte Bilder zu maßstabsgerechten und potenziell voll georeferenzierten 3d-Modellen zusammen (mehr). Die Technik kann mithilfe von entsprechend ausgestatteten Meßdrohnen zur Erzeugung voll georeferenzierter, hochaufgelöster Orthofotos etwa von Flachwasserzonen eingesetzt werden. Diese Technik löst zunehmend die konventionelle Luftbildarchäologie ab. Sie kann darüber hinaus sowohl zur Objektdokumentation schon im Gelände oder unter Laborbedingen genutzt werden und stellt eine sehr kostengünstige Alternative zu laseroptischen Aufnahmeverfahren dar. Die Technologie kommt inzwischen in allen unterwasserarchäologischen Einsatzgebieten zum Einsatz. Unter Wasser bilden ausreichend gute Sichtweiten die wichtigste Voraussetzung. Die erzielbaren Ergebnisse sind eindrucksvoll und generell präziser und detaillierter als jede konventionelle unterwasserarchäologische Aufnahme.

Wo es um die Erkundung großer Seebodenflächen oder um große, mit Tauchgerät nicht mehr arbeitssicher erreichbare Wassertiefen geht, spielen hydrographische Methoden nach wie vor die Hauptrolle. Auch hier haben sich Potenziale und Grenzen zugunsten immer aussagefähigerer Dokumente verschoben. Einen Einstieg ermöglicht das Grabungstechnikerhandbuch, Kapite 16.15 „Schiffsarchäologie“. Sidescan Sonare, Subbottom Profiler, Multibeam Sonare spielen nach wie vor die Hauptrolle. In jüngster Zeit halten auch bislang nur auf Mineralböden eingesetzte geophyikalische Methoden, wie Georadar Einzug in die Erforschung von Feucht- und ständig überfluteten Seeböden.

Geradezu zu einem Quantensprung hat schließlich die Digitalisierung der Dokumentationstechnik geführt. Nach der Verfügbarkeit finanziell erschwinglicher Computer ab Anfang der 1990-er Jahre stellten wichtige Stationen zunächst die schrittweise Integration der neuen, digitalen Meßmethoden in die Grabungsdokumentation und, erst kürzlich, ein Paradigmenwechsel bei der eingesetzten Software dar. Computer Aided Design (CAD-)Programme sind heute weitgehend durch Geographische Informationssysteme (GIS) ersetzt. Die Integration aller auf Grabungen eingesetzten Dokumentationsmittel – Texte, Messungen, Listen, Fotos, Videos - in eine digitale, auf relationalen Datenbanken basierenden Grabungsdokumentation bietet in Kombination mit der Nutzung des Internet die Möglichkeit, Grabungsdaten ad hoc zu sichern, im Team zu teilen und zu bearbeiten, schon bei ihrer Entstehung auf Plausibilität zu prüfen, und schließlich kohärent zu archivieren. Dieser Prozess ist bei Grabungsfirmen und Landesarchäologien noch immer in vollem Gange. Der Qualitätsunterschied zu konventionell erzeugten Grabungsdokumentationen und das Potenzial für die Unterwasserarchäologie ist gleichzeitig erheblich und bei weitem nicht ausgeschöpft.